Dr. Katrin Grüber, Leiterin des Institutes Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW)
Seit wann befassen Sie und Ihr Institut sich mit Aktionsplänen, und wie kam es dazu?
Seit dem Inkrafttreten der UN-BRK im Jahr 2009 hat sich das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft Gedanken dazu gemacht, wie die Vorgaben des so wichtigen völkerrechtlichen Dokuments in die Praxis übertragen werden können. Eine konkrete Möglichkeit ergab sich durch die Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Herr Dr. Friedrich Mehrhoff war schon im Jahr 2010 der Überzeugung, Aktionspläne seien nicht nur für Staaten ein gutes Instrument, sondern auch für nicht staatliche Organisationen.
Wenn Unternehmer Sie zum Thema Aktionsplan fragen: „Ist das effektiv, hat das einen Nutzen?“ Welchen Rat würden Sie Unternehmen auf den Weg geben?
Aktionspläne sind ein effektives Instrument, wenn Unternehmen mehr Inklusion „wagen“. Sie sind aber nur dann effektiv, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: Die Unternehmensleitung unterstützt das Vorhaben; es gibt mehrere Personen, die das Thema mit Begeisterung vorantreiben; und nicht nur für den Erstellungs-, sondern auch für den Umsetzungsprozess gibt es ausreichend personelle und materielle Ressourcen. Das alles sind Mindestbedingungen. Eine externe Begleitung kann hilfreich sein, es geht aber auch ohne[1]. Wenn diese Bedingungen gegeben sind, dann gibt es einen Mehrwert, der über das Thema Inklusion hinausgeht, weil in der Regel neue Kommunikationswege und Kooperationen über Unternehmensbereiche hinweg erschlossen werden. Aktionspläne leisten so einen Beitrag zur Organisationsentwicklung.
[1] Vgl. Grüber, Mehrhoff, Wetzstein s.o.
Christoph Beyer
Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) e.V. (17 Integrationsämter, 2 davon in Nordrhein-Westfalen) sowie Leiter des Inklusionsamtes beim Landschaftsverband Rheinland (LVR)
Lassen Sie uns über das Thema Jobcoaching sprechen. Da haben Sie laut Ihres Abschlussberichts auch einiges vor. Das soll in den Leistungskatalog mit aufgenommen werden. Wie ist der Stand?
Hier möchte ich auf das Forschungsprojekt namens „Jade“ verweisen. (https://www.hawk.de/de/hochschule/fakultaeten-und-standorte/fakultaet-soziale-arbeit-und-gesundheit/forschung/jade-jobcoaching). Die Federführung hatte die Universität Hildesheim in Niedersachsen. Als Integrationsämter waren wir maßgeblich mitbeteiligt. Dabei wurden Qualitätskriterien für einen Jobcoach entwickelt. Wenn wir mit dieser Leistung an den Markt gehen und diese Leistung von den anderen Reha-Trägern abgefragt werden, macht ein bestimmtes Qualitätskriterium Sinn.
Wir versprechen uns vom Jobcoaching viel. Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass für Arbeitgeber:innen die Frage, ob Menschen mit einer Behinderung eingestellt oder weiterbeschäftigt werden, nicht primär am Geld hängt. Das Unternehmen nimmt die Förderung gerne mit, aber sie ist nicht entscheidend. Was wir aus Betrieben immer hören, ist, dass der Mensch ins Team passen muss und dass sie sich eine Person wünschen, die unterstützt, wenn es zu Problemen kommt. Und genau das ist der Jobcoach. Sie oder er steht den Unternehmen als verlässlicher Ansprechpartner zur Verfügung.
Verena Bentele
Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland
Wir müssen im Blick behalten, dass die Leistungen nicht eingeschränkt werden und weiterhin alle Menschen das erhalten, was sie benötigen.
Warum bedarf es eines Teilhabestärkungsgesetzes? Ist das der starke große Bruder des Bundesteilhabegesetzes, das zu schwach war, sich allein durchzusetzen?
Kernelemente des BTHG waren ja die Reform der Eingliederungshilfe und Änderungen im Rehabilitationsrecht, die klare Zuständigkeiten schaffen und ein träger-übergreifendes Teilhabeplanverfahren für alle Rehabilitationsträger einführen sollten. Außerdem wurde mit dem BTHG die Arbeit der betrieblichen Schwerbehinderten-vertretungen gestärkt. Das Teilhabestärkungsgesetz ist eher ein Sammelsurium an kleinen Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen. In vielen Punkten wurden Inhalte des BTHG nachgeschärft, verbessert oder ergänzt. Neu ist, dass mit dem Teilhabestärkungsgesetz erstmals ein Rechtsanspruch auf die Begleitung von Menschen mit Behinderungen durch Assistenzhunde zu öffentlichen und privaten Anlagen und Einrichtungen geschaffen wurde.
Um beim Bild der Brüder zu bleiben: das Teilhabestärkungsgesetz ist eher der kleine Bruder des BTHG, der dem vergesslichen großen Bruder den Turnbeutel und das Frühstück hinterhertragen muss und dabei selbst vergisst, einige Dinge einzupacken.
Jürgen Dusel, Jurist und seit 2018 der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Was genau macht ein Bundesbeauftragter für Belange von Menschen mit Behinderungen?
Im Behindertengleichstellungsgesetz ist ziemlich abstrakt und juristisch formuliert, was meine Aufgabe ist: Darauf hinzuwirken, dass der Bund – also nicht nur die Bundesregierung – seiner Verantwortung, ja, seiner Verpflichtungen gerecht wird, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen – für Menschen mit und ohne Behinderungen. Das bedeutet zum einen Politikberatung. Ich bin zu beteiligen bei allen Gesetzen, bei allen Verordnungen, bei allen wichtigen Vorhaben der Bundesregierung, die die Situation von Menschen mit Behinderungen betreffen könnten. Ich behaupte, das sind 95 Prozent aller Gesetze, denn es geht in Gesetzen ja meistens um Menschen.
Und: Es ist sehr viel Kontaktpflege zu Selbstvertretungsorganisationen. Ich bin quasi das Bindeglied zwischen der Zivilgesellschaft und der Bundesregierung. Aber ich habe natürlich auch andere Funktionen. So bin ich im Land unterwegs zu Vorträgen, habe viel Kontakt zu jungen Menschen mit Behinderungen. Dadurch erlebe ich hautnah, wo es gerade brennt. So kann ich der Bundesregierung Empfehlungen geben, was noch auf der To-do-Liste stehen muss.
Prof.’in Dr. Mathilde Niehaus
Professur für Arbeit und berufliche Rehabilition an der Universität zu Köln
Was muss geschehen, damit behinderte Menschen ihr Handicap bereits bei der Bewerbung angeben? Und: Ist das nach Ihren Erfahrungen überhaupt ratsam?
Mit der Leitlinie „Vielfalt unterschiedlicher Fähigkeiten schätzen“ können Unternehmen und der öffentliche Dienst für Fachkräfte werben und die Charta der Vielfalt[1] als Selbstverpflichtung unterzeichnen. Wichtig ist, dass der öffentliche Dienstgeber und Unternehmen für Bewerberinnen und Bewerber glaubwürdig sichtbar machen, dass sie an der Mitarbeit von Menschen mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen interessiert sind und diese nicht nur als Problem oder Herausforderung, sondern als Chance für den Erfolg des Unternehmens sehen. Von der gelebten Kultur in den Dienststellen und Unternehmen ist es unter anderem abhängig, wie sich Bewerberinnen und Bewerber in Vorstellungsgesprächen öffnen. Prinzipiell kann der offene Umgang mit einer Beeinträchtigung im Bewerbungs- und Arbeitskontext zahlreiche Vorteile haben: Betroffene können auf die Anpassung ihres Arbeitsplatzes beziehungsweise ihrer Arbeitsbedingungen oder auf die Unterstützung durch Vorgesetzte und Kolleg:innen hoffen.
Joachim Schoss,
Gründer und Stiftungspräsident von EnableMe.
Nachdem es dem Gründer Joachim Schoss nach einem Unfall gelungen ist, sich im Leben neu zu etablieren und seine Unabhängigkeit wiederherzustellen, hat er 2004 die Stiftung MyHandicap gegründet, um andere Betroffene auf ihrem Weg zu unterstützen.
Sie betreiben eine gemeinnützige, spendenfinanzierte Stiftung. Wie entstand die Idee für die Stiftung MyHandicap, die jetzt EnableMe heißt?
Dass sich das Leben von einem Moment auf den anderen radikal verändern kann, habe ich im Jahr 2002 selbst erfahren müssen. Damals verlor ich bei einem unverschuldeten Motorradunfall mein rechtes Bein und meinen rechten Arm. Zu dieser Zeit war es nur mit enormem Rechercheaufwand möglich, herauszufinden, wie ein neues Leben mit Behinderung funktionieren könnte – zum Beispiel, welche Hilfsmittel, Autoumbauten oder Sportmöglichkeiten es gibt.
Die Informationen waren weit verstreut und oft nur auf Papier vorhanden. Diese Erfahrung steht hinter der Gründung der Stiftung MyHandicap gGmbH. Wie viel leichter der Weg in eine neue Normalität mit relevanten Informationen, aktuellen Links, einer unterstützenden Community und gezielten Services sein kann, zeigen wir mit unserem Onlineportal Tag für Tag tausendfach. Nun haben wir unsere Erkenntnisse aus 15 Jahren Arbeit in einem Rundum-Update und Relaunch des Portals gebündelt. Anlass ist der aktuell stattfindende internationale Roll-out unserer Angebote. So erklärt sich auch der neue Name EnableMe.
Joachim Schoss: Den Fokus auf die „Abilities“ legen
Thomas Wendt, Director Human Resources dentsu DACH
Talentpool der Inklusion anzapfen
In den Unternehmen von heute spiegelt sich immer mehr die gesellschaftliche Zusammensetzung wider. In den kommenden Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 55 und 65 Jahre alt sein. Bleibt laut Statistik das Risiko einer Schwerbehinderung in dieser Altersgruppe gleich, wird allein aufgrund dieser Prognose die Zahl schwerbehinderter Menschen im erwerbsfähigen Alter zunehmen. Darauf müssen wir uns einstellen.
Der Talentpool der Inklusion wurde von vielen Unternehmen in der Vergangenheit nicht angezapft, obwohl wir alle schon lange vom „War for Talents“ sprechen. Gut ausgebildete Studentinnen und Studenten sowie Fach- und Führungskräfte mit einer Behinderung sind Potenziale, die bisher zu wenig gehoben worden sind. Wer hier als Unternehmen jetzt richtig agiert, schafft einen EVP (Employee Value Proposition) sowohl intern als auch extern und steigert so seine Anziehungskraft enorm für diese Klientel. Als Inklusionsbeauftragter werbe ich also mit einer aufgeschlossenen, progressiven Unternehmenskultur um diese Fach- und Führungskräfte.
Prof. Franz Josef Düwell
Jurist, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a.D. und Honorarprofessor am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz. Seit 1992 Präsident der Arnold-Freymuth-Gesellschaft für Juristische Zeitgeschichte. Seit 2007 Vorstandsmitglied, seit 2016 Vorsitzender der Deutsch-Japanischen Gesellschaft für Arbeitsrecht.
Herr Prof. Düwell, wie bewerten Sie selbst die Bedeutung dieses Gesetzes aus heutiger Perspektive?
Es half den Kriegsopfern. Als ich als Werkstudent 1968 im Stahlwerk Hoesch in Dortmund arbeitete, sagte mir der Betriebsrat, es gäbe einen „Krüppelrat“. Damals hörte ich zum ersten Mal von Schwerbeschädigten. Erst das SchwbG 1974 öffnete den Geltungsbereich für alle Arten und Ursachen von Behinderung!
Wo sehen Sie heute in der aktuellen Situation den größten Handlungsbedarf bei der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt?
Erstens: Der Ausgliederung von Kranken und Behinderten aus der Beschäftigung ist durch ein noch vom Gesetzgeber zu stärkendes betriebliches Eingliederungsmanagement entgegenzuwirken. Zweitens: Das geltende Recht (§ 164 Abs. 3 SGB IX) ist durchzusetzen. Danach sind Arbeitgeber verpflichtet, ihren Betrieb so einzurichten und zu gestalten, dass auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen behinderungsgerecht und barrierefrei beschäftigt werden können.
Andrea Pohl, Geschäftsführerin PPH Personaldienstleistungen GmbH
Wie sind Ihre Erfahrungen mit kleinen und mittelständischen Betrieben beim Thema Inklusion?
In den Dialogen über das Thema Inklusion überwiegend positiv. Bestärkt mit dem Interesse, Inklusion anhand von gelebter Praxis in den Betrieb einzuführen. Mehrmals scheiterte aber die praktische Umsetzung an dem Widerstand der Verantwortlichen einzelnen Fachbereiche in den Unternehmen. Der Widerstand wurde zum Beispiel mit folgenden Aussagen untermauert:
Lagerleitung mwd eines neuen Logistikunternehmens in Hamburg: „…das bringt meine ganze Ablauforganisation durcheinander! Die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter ist aufreibend genug, da können wir uns nicht noch um andere Themen kümmern. Das kostet zu viel Zeit.“
Arbeitssicherheitsfachkraft mwd eines kleinen Technologieunternehmens: „…unsere Brandschutztüren sind nicht barrierefrei. Das wäre für uns jetzt mit weiteren Kosten und Aufwand verbunden.“ Überwiegend haben wir aber positive Erfahrungen gemacht. In einem Inklusionsprojekt in einem Logistikbetrieb konnten wir bereits positive Erfahrung mit Kolleginnen und Kollegen mit hochgradiger Schwerhörigkeit umsetzen. In der ersten Woche gab es noch einige Startschwierigkeiten in den Arbeitsabläufen. Aber bereits in der zweiten Woche hatte sich das Team mit und ohne Schwerhörigkeit zu einer eingeschworenen Gemeinschaft etabliert, in der alle Teammitglieder partizipierten. Sowohl die soziale Kompetenz als auch die emotionale Intelligenz aller Teammitglieder wurde damit gefördert.
Olaf Guttzeit, Head of CoE Life Balance & Disability Management bei Boehringer Ingelheim und im Vorstand UnternehmensForum
Woher kommt das Wort Inklusion ursprünglich?
Es gab anfangs eine spannende Diskussion mit den USA und anderen englischsprachigen Ländern. Das Wort „Inclusion“ wurde hin- und herübersetzt. Das Wort stammt aus dem Lateinischen, includere, was so viel heißt wie miteinbeziehen. In Deutschland wurde der Begriff anfangs ausschließlich reduziert auf Menschen mit Behinderung sowie in den 70er- und 80er-Jahren im pädagogischen Kontext genutzt. Mit der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 kam zum ersten Mal in Deutschland auf, dass wir über Inklusion gesprochen haben, vorher ging es ausschließlich um Integration. Dabei stand der Fürsorgeaspekt im Vordergrund: Die Einrichtung von Behindertenwerkstätten etwa kam aus dem Fürsorgegedanken, immer mit dem Tenor: „Wir wissen, was für euch gut ist“. Das stand 2004 als Integrationsvereinbarung auch noch so im Gesetz.
Elke Vetter
Technische Rätin, Schwerbehindertenvertretung und Vertrauensperson der Menschen mit Behinderung im Bayerischen Landeskriminalamt
Die Redewendung „Menschen mit Behinderung sind nicht behindert, sondern werden behindert“ hat sich für mich als ehemalige Schülerin eines integrativen Gymnasiums in Würzburg für sehbehinderte Kinder und im angeschlossenen Schülerheim wie auch im Studium und in zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten im Laufe meines Lebens leider immer wieder als real erwiesen. Daher musste es vermutlich so kommen, dass ich mich heute in meinem Einsatz für den Personenkreis der Menschen mit Behinderung sehr wohlfühle.
Zwar habe ich als Maschinenbauingenieurin und kriminaltechnische Sachverständige etwas ganz anderes gelernt, aber persönlich bin ich überzeugt, es hat so kommen müssen. Und das kollegiale Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung im Bayerischen Landeskriminalamt beweist, dass wir schon vieles erfolgreich begleiten durften.
Steffen Pietsch
Konzernschwerbehindertenvertretung, Deutsche Bahn AG
Steffen Pietsch: Bewerber mit Behinderungen ansprechen
Einer der Gründe, mich zur Vertrauensperson wählen zu lassen, war die Tatsache, dass sich die DB AG vor 30 Jahren vor grundlegenden Veränderungen befand und von der Privatisierung besonders schwerbehinderte und gleichgestellte Kolleginnen und Kollegen betroffen waren. Inklusion bedeutet für mich, dass in absehbarer Zeit Inklusion selbstverständlich ist und nicht ständig eingefordert werden muss. Die Deutsche Bahn ist seit Jahren Mitglied im UnternehmensForum und hat einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet. Und wir nutzen intensiv die Möglichkeiten zur Vernetzung und waren zum Beispiel bei der erfolgreichen Auftaktveranstaltung Round Table Inklusion [1] dabei.
[1] Initiatoren der Round-Table-Inklusion: UnternehmensForum, Astrid Westermann - Axel Springer SE und Oliver Schmidt-Eicher, Anwalt für Arbeits- und Sozialrecht
Aktionspläne – Entstehung, Wirkung, Beispiele
Ein Beitrag von Birgt Raab und Astrid Westermann
Deutschland ratifizierte 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Seitdem beschäftigen sich zahlreiche Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik damit, die daraus resultierenden Vorgaben in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen umzusetzen und noch vorhandene Barrieren abzubauen - für eine selbstbestimmte und unabhängige Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Ein wirksames Instrument dafür können Aktionspläne sein. In der Regel zeigen diese im ersten Schritt auf, welche Barrieren noch existieren. Es ist eine Analyse des Ist-Zustandes im Unternehmen. Im zweiten Schritt wird die Soll-Analyse erarbeitet. Sie beschreibt den gewünschten Zustand für das Unternehmen. Anhand der erarbeiteten Themen werden Handlungsfelder definiert und Vorschläge für Maßnahmen erarbeitet, die sowohl bestehende Hindernisse überwinden helfen als auch zukunftsorientiert inklusiv ausgerichtet sind. Es folgt dann die schrittweise Umsetzung dieser Maßnahmen.
Oliver Schmidt-Eicher
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht, der seine Mandanten umfassend auf diesen Gebieten sowie auch im allgemeinen Zivilrecht betreut. Er vertritt sowohl Privatmandanten als auch Betriebsräte sowie Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen. Er ist gebürtiger Hamburger mit Kanzlei im niedersächsischen Verden.
Oliver Schmidt-Eicher: Vision eines europäischen Schwerbehindertennetzwerkes
Beim Kaffeetrinken. Beim Kaffeetrinken in der Pause während eines Seminars entstand die Idee. Seit Jahren schule ich für das Institut zur Fortbildung für Betriebsräte (ifb) Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen. Arbeitsrecht ist meiner Meinung nach ein spannendes, lebendiges und kreatives Rechtsgebiet. Vor allem das kollektive Arbeitsrecht bietet die Chance, das Miteinander in Betrieben und Unternehmen mitzugestalten. Ich empfinde es als erfüllend, wenn daraus gute Strukturen zum gemeinsamen Nutzen entstehen. Ich schätze auch die demokratischen Formen der Mitbestimmung, dass Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen von den Beschäftigten gewählt werden und sich für diese einsetzen können.
Manfred Otto-Albrecht
Fachbereich Rehabilitation, Fortbildungsakademie der Wirtschaft
Weiter so oder weiter anders?
Seit Jahren konstatieren unterschiedliche Akteure der Inklusion einmütig die immer gleichen Mängel bei der beruflichen Teilhabe von Menschen mit einer Schwerbehinderung. Doch warum tut sich nichts? Wir versuchen uns an einer Antwort.
Viele Unternehmen erfüllen die gesetzlich geregelte Beschäftigungspflicht nicht, Menschen mit einer Schwerbehinderung sind häufiger arbeitslos als Menschen ohne Schwerbehinderung, Menschen mit einer Schwerbehinderung sind länger arbeitslos als Menschen ohne Schwerbehinderung, das Unterstützungssystem ist gekennzeichnet von unklaren Zuständigkeiten und bürokratischen Verfahrenswegen, und vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen fehlen erforderliche Informationen und erforderliches Know-how. Das Wort vom „Inklusionsdschungel“ macht nicht ohne Grund die Runde …
„Aktionsplan bedeutet für uns, gemeinsam inklusiv zu handeln. Unsere Absicht steht fest. Wir wollen ein inklusives Unternehmen sein. Mit dem Aktionsplan konkretisieren wir die Ziele der UN-BRK ganz praxisnah für unser Unternehmen. Dafür haben wir sechs Handlungsfelder festgelegt, in denen wir aktiv werden wollen, um Inklusion bei Axel Springer zu fördern – im Denken und im Arbeiten. Wir haben klare Ziele definiert und bestehende Leistungen gebündelt sowie Projekte entwickelt, damit Menschen mit und ohne Behinderungen die gleichen Chancen haben.“
Dr. Julian Deutz, Vorstand Finanzen und Personal, Axel Springer SE
Alexander Eckhardt, HR Expert/Inclusion Lead Germany/Project Manager
„Flexible Mobility“ – das Mobilitätsbudget der SAP
Unsere Gesellschaft wandelt sich. Was vor kurzer Zeit noch völlig undenkbar war, gehört heute zur neuen Realität. Menschen mit Einschränkungen haben eine Stimme und können sich – dank der UN-Behindertenrechtskonvention und des SAP-Aktionsplans 2.0 – im Berufsalltag einbringen.
Alexander Eckhardt: Unser Grundsatz – Stärkenorientierung
Heidi Ziliaskopoulos, Expertin für Betriebliches Gesundheits- und Sozialmanagement und Suchtberaterin bei der Sodexo Gruppe Deutschland
Inklusion ist kein Nischenprodukt!
Es ist mir ein zentrales Anliegen, dass Menschen mit Behinderung dieselben Chancen im Berufsleben bekommen wie allen Mitarbeiten-den auch. In Abstimmung mit der Unternehmensleitung haben wir bei Sodexo einzelne Aufgabenfelder zusammengelegt. In diesen unterschiedlichen Verantwortlichkeiten zu arbeiten, funktioniert sehr gut und ist im Sinne der Mitarbeitenden.
Michael Matthes
Konzernschwerbehindertenvertreter bei der METRO AG
Was wünsche ich mir im Umgang mit behinderten Menschen?
Behinderte Menschen wollen nicht bevorzugt werden, nur weil sie ein Handicap haben. Da behinderte Menschen – wie alle anderen Mitarbeitenden – für Unternehmen eine große Bereicherung sein können, wünsche ich mir Respekt und einen würdevollen Umgang miteinander. Auf der Arbeitgeberseite ist dies verbunden mit der Notwendigkeit, im Umgang mit Bewerbungen und Einstellungen von behinderten Menschen eine besondere Sorgfalt und Toleranz zu leben. Eine positive Unternehmenskultur im Umgang mit behinderten Menschen muss selbstverständlich sein.